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 Preistraeger 2015

Der FISM-Weltkongress in Rimini                                                                     Mag. Ludwig Gantner (Mecki)

  

Ich bin normalerweise ein eher vernünftiger Mensch. Aber alle drei Jahre gönne ich mir einen Exzess, ein Stück kontrollierten Wahnsinns, einen Ausnahmezustand bis an die Grenze meiner physischen Belastbarkeit: Die FISM-Weltmeisterschaft der Zauberkunst.

Nach Stockholm, Peking und Blackpool war diesmal Italien an der Reihe. Etwa dreitausend Magier zog es vom 6. bis 11. Juli 2015 nach Rimini, um dabei zu sein, wenn die neuen Weltmeister in acht verschiedenen Sparten gekürt werden.

       Kongresszentrum

Kongresszentrum

     

 

Wie bei allen Magierkongressen gibt es auch bei diesem Event Seminare, Händlermessen, Galas und gesellige Abendveranstaltungen.

 

 

     White Night Dinner

White Night Dinner

  

Aber das Herzstück dieser Veranstaltung ist der Wettbewerb. An einem typischen FISM-Tag sehen so zauberverrückte Leute wie ich mit kurzen Pausen an die 40 Wettbewerbsnummern, jede dauert etwa 10 Minuten. Das ist sehr anstrengend.

 

 

Spätestens am dritten Tag sind die Augen wund und das Hirn fühlt sich matschig an. Weil das Programm bis in die Nacht dauert und morgens früh beginnt, kommt akuter Schlafmangel hinzu und auch die Ernährung wird zur Nebensache. Warum tut man sich so etwas an? Weil es die einmalige Gelegenheit ist, die kreativsten, geschicktesten und unterhaltsamsten Vertreter unser Kunst zu sehen und viele Anregungen mit nach Hause zu nehmen.

Das war diesmal wieder der Fall. Die Leistungen im Wettbewerb waren meist sehr gut, oft herausragend. Vor 20 Jahren konnte sich noch fast jeder problemlos zum Wettbewerb anmelden, heute wird in vielen Ländern in erbitterten Vorausscheidungen darum gekämpft, einen der streng kontingentierten Startplätze zu ergattern. Das hat der Qualität gut getan. Nachdem sich der Wirbelsturm von Eindrücken etwas gesetzt hat, teile ich hier einige meiner Beobachtungen und Meinungen mit allen Interessierten:

Anca Lucca 313

 

 

 

 

Zunächst das Erfreulichste: Österreich hat endlich wieder einmal ordentlich aufgezeigt: Wir haben zwei Vizeweltmeister. Anca & Lucca in der Sparte Mentalmagie......

  

Wolfgang Moser 313 1

 

 

 

 

und Wolfgang Moser in „Parlour Magic“ konnten gegen starke Konkurrenz den jeweils zweiten Platz erkämpfen.

 

 

  

 

   

 Bill 313

 

 

 

 

Und unser Bill Cheung von der VMKW landete in der Wahnsinnssparte „Card Magic“ auf dem tollen vierten Platz.

 

 

 

 

  

   

1Price Thommy Ten Amelie

 

 

 

 

Weltmeister in Mentalmagie wurden auch zwei Österreicher: Thommy Ten & Amelie. Sie hatten sich allerdings dafür entschieden, für Deutschland anzutreten. Herzliche Gratulation an alle!

 

 

 
Magic Chistian FISM 1
   
Besonders freut es uns auch, dass unserem langjährigen Ehrenmitglied Magic Christian eine prestigeträchtige Ehrung zuteil wurde: Er bekam von der FISM den "Award for History, Research & Scholarship" verliehen, das ist eine Auszeichnung für Studien zur Geschichte der Magischen Kunst. Insbesondere dürfte dabei sein dreiteiliges Werk "Non Plus Ultra" über das Leben und Wirken der Wiener Zauberlegende Johann Nepomuk Hofzinser (1806-1875) eine Rolle gespielt haben. Wir gratulieren!
 
 
Über die Kompetenz der Jury musste man in Rimini nicht diskutieren. Die Zeiten, als gut vernetzte Funktionäre ohne ausreichendes Fachwissen über die Preise entschieden, sind offenbar vorbei. Viele der Jurorinnen und Juroren haben selbst schon FISM-Preise gewonnen und sind aktive Zauberkünstler. Die Entscheidungen waren alle nachvollziehbar und dürften sich auch mit der Meinung der Kongressbesucher weitgehend decken.

Taubenzauberei kommt bei FISM nicht an. Viele Tierfreunde im Publikum haben ein grundsätzliches Problem damit, wenn andere Magier Tiere minutenlang in enge Kaschees zwängen. Aber es dürfte irgendwie auch zu wenig trainiert werden. Immer wieder fliegen die gerade erschienenen Vögel den Magiern davon und suchen sich dann einen Landeplatz im Zuschauerraum. Das kritische FISM-Publikum sieht das nicht gerne, oft wird gepfiffen. Warum fast alle ihre Tauben auf der Bühne inniglich abbusseln müssen, habe ich nie verstanden, und bunt eingefärbte Vögel mag ich überhaupt nicht.

Die Dominanz der Asiaten setzte sich fort. Früher wurden die FISM-Weltmeisterschaften von europäischen Ländern beherrscht. Jetzt zeigen uns Südkorea, Taiwan und Hong Kong, wo es lang geht. Die Königssparte „Manipulation“ ist fest in koreanischer Hand. Zehn Preise gingen an Asiaten.

 

Hector Mancha

Trotz der vielen sensationellen koreanischen Manipulationsdarbietungen hat aber ein Spanier den „Bühnen-Grand Prix“ gewonnen: Hector Mancha. Er konnte den Koreaner „Lukas“ schlagen. Beide waren technisch sehr gut, aber im Kern war es ein Duell „Charisma gegen technische Brillanz“. Die ausgefeilte, etwas schräge Bühnenfigur des Spaniers hat die Jury doch ein wenig mehr beeindruckt, als die makellose, aber doch ein wenig konventionelle Darbietung des Koreaners. 

pierric

 

 

 

  

Der zweite Hauptpreis, der „Close-Up Grand Prix“ wurde ebenfalls mit einer hervorragenden schauspielerischen Leistung errungen. Der Schweizer „Pierric“ begeisterte mit einer Slapstick-Kunstfigur, er spielte überzeugend einen Magier im Wettbewerb unter Zeitdruck, dem immer neue Missgeschicke passieren. Die Nummer war nicht nur sehr lustig, sondern auch technisch perfekt ausgearbeitet und täuschend.

 

 

 

Aus Europa waren diesmal die Spanier sehr gut und, wie seit vielen Jahren gewohnt, die verlässlichen Deutschen. Enttäuschend waren die USA, die Teilnehmer der früheren FISM-Supermacht blieben alle unter „ferner liefen“, eine Darbietung wurde sogar von der Jury wegen mangelnder Qualität vorzeitig abgebrochen.

Männer dominieren die Zauberkunst nach wie vor. Leider; warum das so ist, kann niemand erklären. Es gab einige wenige, durchaus ordentliche, weibliche Acts. Aber unter den Preisträgern war keine einzige Frau, eine Ausnahme bildete die Sparte Mentalmagie, bei der zwei (österreichische!!!) Magier eine Partnerin hatten, an die sie geheime Gedanken übertrugen.

Was muss man tun, um als Organisator eines Kongresses nicht gelobt, sondern immer wieder ausgepfiffen zu werden? Zunächst muss man jegliche Kommunikation mit den Kongressteilnehmern vermeiden, damit sich niemand bei irgendeiner Sache auskennt. Man muss Platzkarten für Sitze ausgeben, die dann nicht gelten und Leute, die sich vor drei Jahren angemeldet haben, in die hintersten Ecken des Saales verbannen. Wenn man ganz sicher eine schlechte Nachrede braucht, verkauft man 400 VIP-Sitze und sperrt dann die vorderen 1200 Sitze im großen Saal für das einfache Volk ab. Dann entstehen sicher tolle Theorien darüber, wer wohl die anderen 800 sind, die (möglicherweise gratis?) vorne sitzen dürfen und warum das überwiegend Italiener sind.

Noch eine gute Idee, um schlecht rüberzukommen, ist es, wenn man die internationale Preisträger-Gala, das ist der dramaturgische Höhepunkt der Kongresswoche, von einem Italiener auf italienisch moderieren lässt, und zwar von einem TV-Star, den die Kongressteilnehmer nicht kennen, weil sie kein italienisches Fernsehen schauen. Klar war nur, dass er keine Ahnung von der Zauberei hatte und nachdem er dauernd laut ausgepfiffen wurde, wohl auch nie ein Fan der Zauberkunst wird. Jedenfalls gab man den erschöpften Kongressteilnehmern das Gefühl, dass sie dem Veranstalter gleichgültig wären.

Kamera stoert dauernd resize resize

 

 

Das Einzige, was zählt, wären die Fernsehaufzeichnungen. Kamerakräne störten die Sicht auf die LED-Schirme (die Künstler konnte man von hinten ohnehin kaum sehen), der Bühnenhintergrund war nicht neutral, sondern bestand aus bunt leuchtenden Bildwänden, die von den Künstlern nur ablenkten. 

Buehnenbild resize resize

 

 

 

 

Kurz gesagt: Der Auftrittsort war für das Fernsehen optimiert, für schlecht gemachtes Fernsehen, da kenne ich mich als ORF-Mitarbeiter ein wenig aus. Von Regisseuren, die sonst Rockkonzerte, Modeschauen und Wettsingen ins Heller LED Hintergrund resize resizeFernsehen bringen und sich mit den Bedürfnissen der Zauberkünstler offenkundig nicht auseinandergesetzt haben. Das würde viel besser gehen, Fernsehen und Zauberei müssen kein Widerspruch sein. Aber so macht man das nicht.

 

Aber diese Ärgernisse können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der FISM-Kongress in Rimini dank der vielen tollen Wettbewerbsdarbietungen alles in allem gelungen war.

Nur fuer VIPs 

 

 

Der nächste Weltkongress wird 2018 in Südkorea stattfinden, in der bei uns weitgehend unbekannten 12 Millionenstadt Busan. Ich hoffe, dass die Veranstalter von den Fehlern der Italiener lernen werden.

  

Zweiklassengesellschaft

 

 

 

Zumindest gab es für Frühbucher nur einen einheitlichen Kongressbeitrag von 400 Euro, den Unsinn einer Zweiklassengesellschaft von normalen und VIP-Teilnehmern gegen Aufzahlung haben sie nicht nachgemacht. Ich fürchte, dass in drei Jahren nicht viele Österreicher diese Weltreise auf sich nehmen werden. Für mich jedenfalls war bisher noch jeder FISM-Weltkongress eine Reise wert.

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